Die fieseste Visage des bisherigen Jahres aka der Abt hat mal wieder einen neuen Audi RS 6 gebaut. Es ist ein Phänomen, das mittlerweile zur völligen Normalität geworden ist: Wenn die lieben Äbte Hand an den Ingolstädter Brachial-Kombi legen, springen die Geldbeutel quasi von alleine auf. Jetzt dürfen wieder 200 gut sortierte Portemonnaies entlüftet werden. Schuld daran ist die neue RS6 Legacy Edition (RS6-LE).
Damit feiert der Kemptener Tuner nicht etwa sein eigenes Vermächtnis (das tat man ja schon mit der Johann-Abt-Signature-Edition), sondern den 20. Geburtstag des Audi RS 6 an sich. Wir taten das ja auch schon – die Ausfahrt mit allen bisherigen RS 6-Generationen können Sie sich hier nochmal zu Gemüte führen. Allerdings ist der Abt deutlich selbstbewusster als wir und verkauft sein Hinterlassenschafts-Sondermodell als „limitierte Krönung von zwei Jahrzehnten RS6-Geschichte“.
Ja Jessas, bei derart viel Ansage muss was geboten sein. Und das ist es natürlich auch. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass Abts allererster RS6, es muss 2003 gewesen sein, mit 505 PS und 630 Nm auf die Menschheit losgelassen wurde. Dazu gab es 20-Zöller und eine etwas größere Bremse. Punkt. Davon sind wir heute in allen Belangen Lichtjahre entfernt.
Optisch übertrumpft der RS6-LE selbst die Carbon-Festspiele des RS6-R mit Leichtigkeit. Ich habe versucht, alle Kohlefaser-Anbauteile zu zählen. Nach etwa drei Tagen gab ich auf. Sie erkennen die Legacy Edition aber ganz easy am Lufteinlass in der Motorhaube. Den gab es bisher nicht.
Er sorgt für mehr Wärmeabfuhr des seeehr viel stärkeren V8. Und er hat alle vorgeschriebenen Kopfanpralltests bestanden, was übersetzt wohl bedeutet, dass niemand aufgrund der getunten Haube umkommt. Neu sind zudem der große Dachflügel, die Seitenschweller und schicke rot umstreifte Modell-Logos an Frontspoiler und Heckdiffusor.


Auch die Felgen sind taufrisch. 22 Zoll groß, geschmiedet und sehr leicht. Wie leicht, sagte man uns nicht. Bezogen sind sie mit Goodyear Eagle F1 Supersport in 295/30 ZR22 rundum. Das ist alles in allem ziemlich viel Reifen.
Hauptdarsteller, auch beim LE, ist aber natürlich die Leistungssteigerung. Wir kennen das Spielchen inzwischen: Neue Turbos, Ladeluftkühler, Frontschürzeneinsätze mit optimierter Luftführung und eine Anpassung der Motorelektronik verhelfen dem 4,0-Liter-Biturbo-Mildhybrid-V8 zu 760 PS und 920 Nm. Das gilt wohlgemerkt, wenn der „normale“ RS 6 mit 600 PS und 800 Nm die Basis bildet.
Es gibt in Bälde aber auch noch den RS 6 Performance. Der kommt ab Werk auf 630 PS und 850 Nm. Post Abt schafft er ebenfalls 760 PS, aber 980 Nm. Die 0-100 km/h sollen in beiden Fällen 3,1 Sekunden dauern. In der Serie sind es 3,6 beziehungsweise 3,4 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit: 320 Sachen.
In puncto Fahrwerk setzt Abt auf KW-Gewindefedern und Sportstabis an beiden Achsen. Optional ist ein KW-Gewindefahrwerk zu haben. Inklusive Vierrohr-Edelstahl-Endschalldämpfer und Unmengen an zusätzlichem „Dynamica“-Stoff (früher hätte man wohl Alcantara gesagt) im Innenraum liegt der RS6-LE bei 102.600 Euro plus 11.400 Euro Montage plus 420 Euro TÜV. Einen Audi RS 6 bräuchten Sie halt noch. Der liegt – je nachdem, wie wild Sie durch die Aufpreisliste fräsen – bei um die 150.000 bis 170.000 Euro.
Da muss man jetzt natürlich kein großer Stratege sein, um zu erkennen: Joa, nicht ganz billig. Und das in zusätzlichen Fahrspaßeinheiten aufzuwiegen, könnte durchaus knifflig werden. Aber darum geht es hier schon längst nicht mehr. Man muss sich ja nur mal die illustre Kundenbilder-Wand im Abt-Hauptquartier zu Gemüte führen. Die strotzt vor Promis und dem internationalen Top-Adel der Gegen-den-Ball-Treter. Ein Abt RS6 ist inzwischen viel viel mehr als ein getunter Audi RS 6.
Das hat auf jeden Fall Qualität, das hat Substanz und das hat auch im Design einen Charme, der sehr krass, aber nicht unangenehm wirkt. Ich lebte während der Testfahrt halt in ständiger Angst vor dem unfreiwilligen Ableben des kunstvoll gearbeiteten Kohlefaser-Frontspoilers. Schon ordentlich tief, dieser Avant. Aber die Gewindefedern könnte man zur Not ja sicher ein bisschen nach oben schrauben.
Im Dynamic-Modus fährt der LE dann auch so, wie es die Bodenfreiheit vermuten lässt – ziemlich zappelig und reichlich holprig. Wer seine Wirbelsäule oder Mitfahrer mag, wechselt aber einfach in einen der anderen Fahrmodi und das Thema ist durch. Für ein Auto mit derart perfekt gefüllten Radkästen ist der Fahrkomfort dann wirklich bemerkenswert und absolut alltagstauglich.
Die Beurteilung der Querdynamik fiel mir an diesem Tag deutlich schwerer. Klar, gegenüber der Serie ist er spürbar straffer, liegt flacher, satter und in Kombination mit den neuen Stabilisatoren gibt es weniger Bewegung im Aufbau.



Eine tiefergehende Analyse wurde letztlich durch den Reifendruck verhindert. Im Display flackerte nervös an allen Ecken eine 3,5 – 3,6. Für vorangegangene Hochgeschwindigkeitstests, wie man mir später mitteilte.
Die Traktion in einem Abt-RS6 war also sicher schon bedeutend besser als in diesem. Es rutschte und hoppelte ein wenig. Aber schön hecklastig war es im Dynamic-Modus allemal. Da denken Sie sich jetzt mal noch die Mehrleistung dazu und Sie können sich vorstellen, dass der Hintern recht umtriebig war. Sehr unterhaltsam.
Apropos Mehrleistung: Zum Effekt der Beschleunigung auf das eigene Wohlbefinden brauche ich wohl nicht mehr viel zu sagen. Das ist der klassische Magenschwinger, das Kribbeln im Bauch mit allem Pipapo. Auch hier: Leichtes Turboloch, kann und soll man wohl auch gar nicht wegdiskutieren. Ab 3.000 U/min geht’s deftig zu, ab 4.000 U/min wird’s richtig wild. Die 3,1 Sekunden von 0-100 konnten wir nicht nachmessen. Aber gefühlt ist das an Kraft und Vortrieb schon ein deutlicher Unterschied zur Serie.
An Stimmgewalt übrigens auch. Lecko mio, das woofert schon gehörig aus südlicher Richtung. Fotograf Fabi steht hinterm Auto und kramt in seiner Kameratasche als ich ohne groß nachzudenken die Klappe der Anlage aufdrücke. In seiner gewohnt stoischen Art ruft er nach vorne: „Das sind ziemlich heftige Druckwellen“. Jetzt, wo er’s sagt, spür ich das Zeug auch und ich sitze drei Meter weg, haha. Aber er klingt auch im Fahrbetrieb richtig gut. Sehr mächtig. Sehr V8-ig. Tolles Wummern. Nicht nervig.
Wie bereits erwähnt: Ich glaube nicht, dass diese Frage von Bedeutung ist. Abt verkauft seine sündteuren Editions in aller Regel sehr zügig aus. Man hat es geschafft, aus einem getunten Kombi ein Statement zu kreieren, das viele Menschen mit dem nötigen Kleingeld nur zu gerne machen.



Dazu gehören auch Qualität und Verarbeitung im Interieur. Die sind auf monströs hohem Niveau und machen das Auto wirklich besonderer. Alcantara – sorry, „Dynamica“ – findet sich wirklich überall. Am kompletten Einstieg vorne und hinten, an den Sitzkonsolen und VOR ALLEM auf den Schaltpaddles. Nein, wirklich. Man kennt das ja: Immer diese kalten Finger bei ambitionierten Schaltvorgängen. Irgendjemand musste dieses drängende Thema endlich angehen. Aber im Ernst, es fühlt sich großartig an. Genau wie das – leider nach wie vor abgeflachte – Eigen-Lenkrad mit seiner sehr detailverliebt gearbeiteten 12-Uhr-Markierung.
Qualität und Detailverliebtheit erkennt man auch bei der Leistungssteigerung, beim Aero-Kit und eigentlich am ganzen Auto. Muss man natürlich erwarten dürfen bei diesem Preisschild. Aber auch ein Abt RS6 Legacy Edition funktioniert als Gesamtgebilde sehr gut. Ob das sechsstellige Mehrpreise rechtfertigt? Der Markt sagt ja. Und wer nur schnell will: Leistungssteigerungen gibt es auch einzeln.
Quelle: Motor1