Letztens hat irgendein schlauer Kollege geschrieben: Beim E-Auto kann die Geschichte der Marke noch so sportlich oder das neu vorgestellte Auto noch so performanceorientiert sein – alle werden nur fragen: Wie weit kommt das Ding?
Ich gehe mal stark davon aus, Abarth würde es tierisch begrüßen, wenn es bei seinem neuen 500e endlich mal anders laufen würde. Zumindest hat der Skorpion (neuerdings teilt ein Blitz das arme Tier im Logo) bei der Fahrvorstellung im eigenen Testcenter in Balocco nahe Mailand mit dem ganz großen Marketing-Hammer auf die anwesende Journalistenschar eingeschlagen. Die Reichweite war da eher Nebensache. Kein Wunder bei bestenfalls 265 Kilometer nach WLTP.
Also lieber Heritage, Sportiness, knallige Farben, natürlich das Metaverse (wo der 500e sogar gekauft werden kann, also ganz echt und wirklich) und dann noch ein Filmtrailer zum neuesten Mission Impossible-Abenteuer mit dem ewig jungen Tom Cruise, der mit einem Ur-500er durch Rom driftet, das Ganze aber natürlich elektrisch. Und Schwups haben sie den perfekten Übergang zum neuen Elektro-Abarth, bei dem natürlich alles viel viel besser ist als vorher.
Zum Beweis zeigt man uns diversen Zahlen und Diagramme, bei denen der olle Verbrenner-695 vom neuen Elektro-500 nach allen Regeln der Kunst abgeledert wird. Sogar auf dem Balocco-Handlingkurs ist der Neue eine geschlagene Sekunde schneller.
Ähm.. nope. Im Prinzip ist er ein Fiat 500e mit etwas mehr Leistung und schärferen Felgen. Der Fiat wiederum hat seine ganz eigene Plattform, weil er so ziemlich das letzte Projekt ist, das vor Stellantis passiert ist.
Ein bisschen ein Jammer ist das natürlich schon. Wie schön wäre die Rückkehr eines Abarth-500ers mit Hinterradantrieb gewesen. Aber Fiat entschied sich beim 500e für Vorderradantrieb, einfach weil man der Kundschaft nicht zu viel Veränderung zumuten wollte.
Daneben übernimmt der Abarth auch die 42-kWh-Batterie sowie den Elektromotor des Fiat. Letzterer konnte durch Optimierungen am Inverter und eine neue Kalibrierung sowie eine geänderte Getriebeabstufung (mehr Drehmoment am Rad) auf 155 PS leistungsgesteigert werden. Das maximale Drehmoment beträgt nun 235 Nm.

Der Vorteil der relativ kleinen Batterie ist natürlich ihr vergleichsweise geringes Gewicht von 295 Kilo. Insgesamt kommt das Auto auf 1.410 Kilogramm. Verdammt viel für einen 3,63 Meter langen Hot Hatch (ein Abarth 695 mit dem 180-PS-Verbrenner etwa wiegt weniger als 1.100 Kilogramm), relativ wenig für ein Elektroauto.
Ansonsten halten sich die Änderungen gegenüber dem Fiat 500e in Grenzen. Erwartungsgemäß sieht der elektrische Abarth mit seiner aggressiven Frontschürze, dem Heckdiffusor und den 17 oder 18 Zoll großen Rädern zum Anbeißen aus. Selbige sind mit neu entwickelten Bridgestone-Sportreifen bezogen und verdecken größere Bremsen. Hinten gibt es zudem Scheiben statt den Trommeln des Fiat.
Geänderte Federn und Dämpfer sowie eine neu abgestimmte Lenkung sollen dem E-Zwerg eine Abart-würdige Fahrdynamik ins Gebälk zaubern. Und dann soll er natürlich auch noch röhren, wie ein Auto mit dem Skorpion im Logo nun mal so röhrt. Dafür hat man (ohne Witz) einen Wasser- und Schlamm-resistenten Lautsprecher unters Auto geklemmt, der klingen soll wie die Record Monza-Auspuffanlage des Abarth 695. Die große Abarth-Fan-Community hat bei der Abstimmung geholfen.
Ich stellte mir ernsthaft die Frage, mit was ich den Abarth 500e überhaupt vergleichen soll. Er ist ja wirklich sowas wie der erste elektrische Hot Hatch. Also zumindest mehr als ein Honda e (trotz Heckantrieb) oder der elektrische Mini.
Abarth hat mir die Antwort dann glücklicherweise ein Stück weit abgenommen und für den Test auf der Rennstrecke neben die elektrischen 500er auch ein paar „alte“ 695er mit Verbrenner und Handschalter postiert. Also schnell zwei Runden mit dem Bis-Jetzt-Abarth dann nochmal drei mit dem Ab-Jetzt-Abarth.


Die Unterschiede sind wesentlich größer als erwartet. Das ist weitgehend positiv, aber eben nicht nur. Was bereits beim Einsteigen auffällt: Das Gestühl mag relativ gleich aussehen, aber die Verbesserung beim Sitzen ist ein Quantensprung. Man passt jetzt auch in den Sitz, wenn man größer ist als 1,60 Meter und schwerer als 50 Kilogramm. Außerdem sitzt man nicht mehr wie in einem Kran auf dem Auto, sondern tatsächlich angenehm weit unten drin.



Fahrdynamisch sind es vor allem die Fortschritte bei der Lenkung, die den 500e prägen. Ich hatte ein Stück weit vergessen, wie verloren die Lenkung in den Verbrenner-Abarths irgendwo im luftleeren Raum hängt. Gefühl und Information gleich Null. Beim Neuen ist das komplett anders. Die Lenkung ist absolut gelungen. Kein Totpunkt um die Mittellage, eine sehr schöne, sportliche Gewichtung, tolle Präzision und ein sattes Gefühl machen Freude.
Generell hat sich das Fahrverhalten stark verändert. 24 Millimeter mehr Radstand, satte 60 Millimeter mehr Spurbreite und natürlich der zentral im Fahrzeugboden verankerte Akku sorgen für ein wesentlich souveräneres, reiferes Handling. Der 500e ist kein Brett, er darf sich im Aufbau bewegen, aber er hoppelt und rumpelt nicht mehr durch die Gegend als würde auf ihn geschossen während er einen gefrorenen Acker überquert.
Ist das echtes Hot Hatch-Material? Weitgehend hat man das schon sehr gut hinbekommen und das Auto macht definitiv Laune. Ein gutes Stück vom wilden, etwas anarchischen Charakter der bisherigen Benziner-Abarths ist aber schon flöten gegangen.
Auch, ja. Denn selbst, wenn die Beschleunigungswerte sich ganz ordentlich lesen (0-50 km/h in 2,9 Sekunden; 0-100 km/h in 7,0 Sekunden) und es keinerlei Verzögerung in der Leistungsentfaltung gibt, fühlt sich das Auto einfach nicht besonders schnell an. 60, 70 PS mehr hätten dem Elektro-Erstling der Italiener mehr als gut getan. Vor allem bei der Erwartungshaltung, die viele Fans bezüglich des neuen Konzepts haben werden.
So wirkt die Beschleunigung in so gut wie jedem Bereich unterwältigend. Mit der Höchstgeschwindigkeit von 155 km/h (beim Test lief der Wagen bei 160 in den Begrenzer) kann man sich wohl irgendwie arrangieren. Vergleichbare E-Autos sind ja auch nicht schneller.
Und dann wäre da noch das Ding mit der Reichweite. Ich fuhr abgesehen von der Rennstrecke eine 75 Kilometer lange Route mit Anteilen von Autobahn, kurvigen Landstraßen und Stadtverkehr. Ich fuhr eher zügig. Danach waren 40 Prozent des Akkus weg. Bei einem Testverbrauch von 20 kWh oder mehr sind es halt eher 200 Kilometer oder weniger Reichweite. Das lässt für Minusgrade im Winter nichts Gutes erahnen, zumal keine Wärmepumpe oder Batterieheizung angeboten wird.
Untersteuern hat der Abarth 500e relativ gut im Griff, auch wenn es an einem Sperrdifferenzial mangelt. Mit dem Lift-of-Oversteer, also dem Übersteuern beim kurvenmittigen Gaswegnehmen, sieht es ebenfalls ganz okay aus. Das Heck fliegt vielleicht nicht gar so wild wie beim ein oder anderen 595/695, aber der 500e verweigert das Lenken mit dem Hintern nicht. Schön.
Ansonsten fällt auf, dass das Auto deutlich besser gedämpft ist als bisher. Kurze Schläge versetzen es nicht mehr in Unruhe und werden wesentlich besser gefiltert. Insgesamt ist eine erhebliche Verbesserung des Fahrkomforts zu spüren.
Zumindest, solange man den Soundgenerator in Ruhe lässt. Dieser muss relativ umständlich bei stehendem Fahrzeug in einem Untermenü des Instrumentendisplays aktiviert werden. Und da der Lautsprecher außen montiert ist, wird die komplette Umgebung Zeuge des künstlichen Mega-Getöses. Klingt so ein bisschen nach dem (in diesem Fall sehr lächerlichen) V8-Benziner-Klang, den Audi dem SQ5 TDI in den Endschalldämpfer gezwungen hat. Oder einfach nach einem Abarth-Benziner, der in einem Amiga 500 verloren gegangen ist.

Aber genug gelästert, eigentlich klingt es ganz witzig. Und es hilft beim ambitionierten Kurvenritt auch zur besseren Einschätzung der Geschwindigkeit. Allerdings kennt der Sound nur eine Richtung. Immer weiter nach oben. Spätestens bei gleichbleibenden 80 km/h auf Landstraße oder Autobahn wird das Trällern nach kurzer Zeit extrem nervtötend. Sie würden unglaublich gerne schalten, damit endlich die „Drehzahl“ abfällt, aber das geht natürlich nicht. Also schnell ins Menü und wieder ausgeschaltet den Kunstklang.
Apropos nervtötend: Mit dem One-Pedal-Driving hat man es in diesem Fall ein wenig übertrieben. Dazu sei gesagt: Beim Abarth 500e stehen drei Fahrmodi zur Verfügung. In „Turismo“ (Leistung auf 136 PS und 220 Nm begrenzt) und „Scorpion Street“ wird „einpedalig“ gefahren. Und das mit einer derart aggressiven Rekuperation, dass in kürzester Zeit eine Art Seekrankheit einsetzt. Wer normal bremsen möchte, muss in den Modus „Scorpion Track“ wechseln, was die meisten wohl auch dauerhaft tun werden. Hier ist die Dosierung der Bremse allerdings sehr gut gelungen.
Die Materialien sind größtenteils sehr einfach für ein Auto, das mindestens 37.990 Euro kostet. Das Plastik ist grob und nicht sehr dick, geschweige denn unterschäumt. Und ohne den sehr schicken Alcantara-Einleger auf dem Armaturenbrett (nur in der Turismo-Ausstattung ab 42.990 Euro; Cabrio jeweils 3.000 Euro mehr) wird es schon relativ trist.


Abhilfe schaffen zum Glück das traumhaft schöne Alcantara-Lenkrad, das obendrein hervorragend in der Hand liegt, sowie das erwähnte Gestühl, das einen sehr guten Eindruck hinterlässt. Das Platzangebot im Fond ist erwartungsgemäß miserabel und der Kofferraum kaum der Rede wert, vor allem, da jetzt noch ein dickes Ladekabel untergebracht werden muss. Auf 3,63 Meter lässt sich halt einfach nicht zaubern.
Die Bedienung des UConnect-Infotainments geht in Ordnung. Das Instrumentendisplay ist über die Tasten am Lenkrad relativ gut zu bedienen. Auffällig beim Testwagen: Der Tacho gab die Geschwindigkeit teils etwas verzögert wieder.
Beim Handling ist Abarths erstes Elektroauto stark. Wesentlich erwachsener, besser austariert und runder als die bisherigen Benziner, aber trotzdem launig, spielerisch und sehr agil. Dazu mit einer deutlich besseren Lenkung und wesentlich mehr Komfort.
Der ausgeprägte Charmebolzen, der alle Abarth 500 bisher waren, ist der 500e nicht mehr so sehr. Das liegt am satteren Fahrverhalten, aber vor allem auch am etwas lahmen, weniger emotionalen Antrieb. Da kann auch der gut gemeinte Soundgenerator nicht viel retten.
Ein weiteres Minus ist die Reichweite. Bei der ersten Testfahrt sah das eher nach gut 180 bis 200 Kilometer aus. Aber auch hier sind etwa ein Mini Electric oder ein Honda e keinen Deut besser. Das gilt auch für den Preis.
Letztlich ist Abarths Elektro-Hot-Hatch sicher nicht frei von Schwächen und nicht jeder wird ein Fan sein. Aber es ist schön und beruhigend zu sehen, dass der sportliche Kleinwagen mit dem Elektrozeitalter nicht ausstirbt. Für den Anfang ist das schon mal ein ziemlich guter Anfang.
Quelle: Motor1