Ist Wasserstoff der rettende Energieträger mit Zukunftspotenzial oder seine Nutzung doch viel zu gefährlich? Fragen über Fragen – wir geben Antworten und stellen das Wichtigste in zehn Punkten zusammen.
Was ist Wasserstoff eigentlich?
Wasserstoff (H2) ist das kleinste chemische Element im Periodensystem. Es ist gasförmig, völlig ungiftig, farb- sowie geruchslos und gilt als überaus reaktionswillig. Deshalb tritt es in der Natur nur in gebundener Form auf. Die bekannteste Verbindung ist H2O – also pures Wasser. Und genau diese enorme Reaktionswilligkeit macht Wasserstoff als potenten Energieträger für viele Wirtschaftsbereiche, natürlich auch für den Einsatz als Energiequelle beim Autoantrieb, interessant. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
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Wie gefährlich ist die Nutzung von Wasserstoff?
Anders als oft behauptet birgt Wasserstoff – im Vergleich zu anderen Brennstoffen – keine neuen großen Risiken. In seiner Reinform kann er nicht einmal explodieren, denn dazu benötigt er ein exakt stimmiges Reaktionsverhältnis (stöchiometrisch), wie es in der Umgebungsluft üblicherweise nicht vorkommt. Anders ist es, wenn eine hohe H2-Konzentration im Raum (ca. 4 bis 77 Volumenprozent) vorliegt und ein Zündfunke als Auslöser fungiert. Deshalb gelten für Labore und Anlagen des H2-verarbeitenden Gewerbes besondere Sicherheitsmaßnahmen mit Gasmessdetektoren und speziellen Entlüftungen.
Wie explosiv sind Wasserstoff-Tanks?
Tanks explodieren nicht, denn bei einem Überdruck strömt das Gas – zum Beispiel aus einem Drucktank in einem Auto – auf dem kürzesten Weg nach oben aus. Da Wasserstoff sehr viel leichter als Luft ist, verweilt er nicht und würde sogar im Fall eines Brands in Form einer sehr schnellen und kurzen Stichflamme steil nach oben abbrennen, wodurch eine Entzündung anderer Materialien sehr viel unwahrscheinlicher ist als bei Erdgas, Benzin oder Propan- sowie Campinggasbränden.
Materialverträglichkeit von Wasserstoff
Wasserstoff ist das kleinste aller existierenden Moleküle und kann dadurch recht leicht Materialien, auch manche Metalle, durchdringen und so verloren gehen. Bei Eisenmetall, vor allem aus Guss, verursacht Wasserstoff dabei eine Werkstoffveränderung, was in manchen Fällen zu Versprödungen und möglichem Bruch führt. Aus diesem Grund werden für Lagertanks in der Regel Edelstähle und für Fahrzeugtanks in Brennstoffzellenautos Kunststoff-Verbundwerkstoffe verwendet.
Wie funktioniert die Herstellung von Wasserstoff?
Während herkömmlicher „Grauer Wasserstoff“ über Dampfreformierung aus fossilem Erdgas (mit CO2-als Nebenprodukt) hergestellt wird, entsteht „grüner“ Wasserstoff durch die Elektrolyse aus Wasser. Für die Wasserstoffherstellung wird erneuerbare Energie, also beispielsweise Solar-Strom, verwendet, weshalb Grüner Wasserstoff komplett CO2-frei und damit klimafreundlich ist. Anders als bei der Lithium-Ionen-Batterie häuft sich weder bei der Herstellung von Wasserstoff oder der Speichertanks noch beim Verfahren der Grünen Wasserstoffproduktion mit Strom aus Windkraftwerken oder Solaranlagen ein CO2-„Rucksack“ an. Brennstoffzellenfahrzeuge sind somit faktisch von Anfang an und über das gesamte Fahrzeug-Leben komplett klimaneutral.
Wie ergiebig ist Wasserstoff in einer Brennstoffzelle?
Eine Tonne Wasserstoff enthält eine Energiemenge von rund 33.330 Kilowattstunden – so viel, wie elf Dreipersonen-Haushalte jährlich verbrauchen. Allerdings ist mit heutigen Verfahren die Effizienz bei der Herstellung von grünem Wasserstoff relativ gering. Die Verluste bei der Elektrolyse betragen rund 30 Prozent und die Transport- und Speicherverluste noch einmal etwa 26 Prozent. Summa summarum können von der eingesetzten Energie für die Erzeugung des CO2-freien Energieträgers später nur knapp 50 Prozent genutzt werden. Für die Verwendung in einer Brennstoffzelle kommen dann zusätzliche Wandlerverluste bei der katalytischen Stromgewinnung sowie elektrische Verluste in der Leistungselektronik dazu. Die Gesamteffizienz beträgt damit derzeit nur – von der Quelle bis zum Rad – rund 22 Prozent. Genau deshalb wird diese potenzielle Zukunftstechnik von vielen Entscheidern in der Politik und von an schnellen Gewinnen orientierten Industrie-Unternehmen nach wie vor stiefmütterlich behandelt.
Wie lässt sich Wasserstoff lagern und transportieren?
Grundsätzlich kann Wasserstoff in gasförmigem, flüssigem oder chemisch gebundenem Zustand gespeichert und ohne Qualitätseinbußen sehr lange aufbewahrt werden. Für den Einsatz im Fahrzeug wird ausschließlich komprimiertes Druckgas (meist 700 bar) genutzt. In verflüssigtem Wasserstoff ist die Energiedichte zwar noch einmal erheblich höher, aber dazu muss das Gas auf minus 253 Grad Celsius gebracht und – schwieriger noch – auch gehalten werden, was in der Anwendung recht unpraktikabel ist. Das bewies im Jahr 2000 eine Versuchsflotte bei BMW – übrigens seinerzeit ein Pannen-Projekt von Herbert Diess, dem späteren VW-Boss. In sogenannten Metallhydrid-Speichern kann zudem atomarer (also einwertiger) Wasserstoff eingelagert werden. Das ist recht effizient, doch die Speicher sind für mobile Anwendungen viel zu schwer. Darüber hinaus sind leicht lösbare Wasserstoffverbindungen – zum Beispiel als Ammoniak (NH3), Methangas (CH4: synthetisches Erdgas) oder eFuels – recht praktikabel und dann auch gut transportierbar: in Pipelines sowie in Zisternen-Transportern und -Schiffen mit LNG-ähnlichen Spezialaufbauten. Die Transportkosten sind auch über lange Distanzen dank der großen möglichen Beförderungsmengen vernachlässigbar gering.
Erzeugt der Wasserstoffantrieb Schadstoffe?
Keine – doch es gibt eine Ausnahme: Wird das Wasserstoffgas in einem herkömmlichen (dafür präparierten) Benzinmotor eingesetzt, dann läuft eine (fast) normale und sehr saubere Verbrennung ab. Es ist nicht einmal der Einsatz eines Abgaskatalysators oder eines Partikelfilters nötig, da im reinen Wasserstoff keine anderen Stoffe enthalten sind, die Asche oder andere Schadgase entstehen lassen. Allerdings handelt es sich hier um eine heiße Verbrennung – und damit wird auch die Ansaugluft „verbrannt“. Der atmosphärische Stickstoff oxidiert, es entstehen NOX-Verbindungen, die sich kurzzeitig hinter dem Fahrzeug aufhalten, bis sie wieder von allein in normalen Stickstoff und Sauerstoff zerfallen. Ein Derivat ist das dabei für wenige Augenblicke entstehende Schwefeldioxid, ein Reizgas, das – in zu hoher Konzentration aufgenommen – Atemwegserkrankungen hervorrufen kann. Bei der kalten katalytischen Umwandlung in einer Brennstoffzelle entstehen dagegen nur elektrische Energie und Wasserdampf, der noch im Abgastrakt zu chemisch reinem Wasser kondensiert und dann abtropft. Es ist nur ärgerlich, wenn das Wasser auf der winterlichen Fahrbahn anfriert …
Reicht der Vorrat, und wie teuer ist Wasserstoff?
Energie ist derzeit teuer, Grüne Energie erst recht, auch Grüner Wasserstoff. Doch das muss nicht so sein und wird auch nicht so bleiben. Gerade Wasserstoff ist das häufigste Element im Universum. Er wird uns nie ausgehen. Zudem ist Wasserstoff nur ein Energieträger, der bei Umwandlungsprozessen Energie abgibt. Er ist also kein Verbrauchsstoff, der verlustig geht oder jemals knapp werden kann. Da Grüner Wasserstoff, wenn einmal die Anlagen dazu stehen, kontinuierlich auch in großen Mengen gewonnen/erzeugt werden kann, sind lediglich die Starthürden zu überwinden. Diese sind allerdings derzeit groß. Für die Gewinnung benötigt man riesige Mengen erneuerbarer Energien. In unserer gemäßigten Klimazone mit dichter Besiedlung und relativ geringer Sonnenstundenzahl ist die gesellschaftliche Herausforderung enorm. Zudem prallen hier unterschiedlichste Befindlichkeiten, Ansichten und Ideologien aufeinander, die wie ein Hemmschuh Zukunftstechniken für eine Energiewende ausbremsen.
Wo kommt künftig Grüner Wasserstoff eigentlich her?
Werden die langen Sonnenstunden in der Sahara-Zone und der Andenregion mit PV-Anlagen stärker genutzt und die Atlantik- sowie Nordseestürme mit Offshore-Technik effizient eingesetzt, dann stehen ausreichend Quellen für die nachhaltige Energieerzeugung bereit. Zumal die Grüne Wasserstoffproduktion als potenter Energiespeicher für die unterschiedlichsten Industriebereiche und den Verkehr angesehen werden sollte – und das an möglichst vielen dezentralen Produktionsstätten. So lässt sich auch Überschuss-Energie sinnvoll (per Wasserstoffproduktion) speichern und später bei Bedarf nutzen. Doch das passiert heute noch nicht: Ist die Stromerzeugung höher als der momentane Bedarf, dann werden derzeit die Windräder einfach abgeschaltet und weiter bezahlt. Die Kohleverstromung – in träge arbeitenden Kohlekraftwerken – läuft dagegen weiter. Bei der Energiewende bietet die Wasserstoff-Technologie also noch enormes Potenzial.
Quelle: Autozeitung