Der VW Corrado G60 stellt sich im Vergleich der Sportcoupés dem Volvo 480 2.0. Beide Classic Cars haben die 80er-Jahre und ihre Marken maßgeblich geprägt!
Spannender Vergleich zweier automobiler Kinder der 80er-Jahre: Volvo 480 2.0 und VW Corrado G60 kamen gegen Ende des Jahrzehnts auf dem Markt. Kompakte Autos, wie der Corrado, prägten von Anfang an die DNA von Volkswagen, von 1974 an in Form moderner Fronttriebler. Kleine Volvo, wie der Volvo 480 2.0 rollten erst ab 1975 aus dem niederländischen Zweigwerk Born. Zunächst waren dies umgetaufte DAF-Modelle mit Hinterradantrieb. Der neue 480 war der erste Volvo mit vorn angetriebenen Rädern. Sowohl bei Volvo als auch bei Volkswagen kamen externe Entwicklungshelfer:innen zum Einsatz: An dem von 1986 an produzierten Volvo 480 wirkten Techniker:innen von Lotus, Renault und Porsche mit, während der ab 1988 angebotene VW Corrado bei Karmann entwickelt und gebaut wurde. Mehr zum Thema: Sportliche Wolfsburger
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Volvo 480 2.0 & VW Corrado G60: Classic Cars
Die Schwed:innen titulierten ihren Volvo 480 2.0 gern als Shooting Brake in der Tradition des P1800 ES. Darum hatte es 1986 in Genf noch unter der Bezeichnung 480 ES debütiert. Doch so ganz glaubten die Skandinavier:innen wohl selbst nicht an die kultige Parallele – warum sonst versteckt sich das Volvo-Logo so verschämt im kaum sichtbaren, weit unten positionierten Grill? Das ist einer, aber nicht der einzige stilistische Kritikpunkt, dem man dem coolen Dreitürer mit der steilen Heckklappe und der tiefliegenden Front mit den charakteristischen „Schlafaugen“ vorgeworfen hat. Hinter der rahmenlosen Glasklappe des Kompakt-Volvo findet sich dank der umlegbaren Rücksitze über 1000 Liter Stauraum. Auf den ledernen Recaro-Sportsitzen haben vorn selbst Langgewachsene genug Platz, und hinten geht’s dank der geraden Dachlinie nur wenig beengter zu. Das eckige Plastik-Design des Instrumententrägers – mit Drehzahlmesser, Tacho und Multifunktionsanzeige – verströmt den Zeitgeist der ausgehenden 1980er. Alle Bedienelemente sind so platziert, dass der:die Fahrer:in die Hände nicht vom Lenkrad nehmen musste. 1992 wurde das Interieur überarbeitet – nun ersetzten, wie im Fotoauto, Dreh- die bisherigen Schieberegler, und es gab Druck- statt Kippschalter. Die Bordelektronik – auch dies war zukunftsweisend – arbeitet computerunterstützt. Die Klapplicht-Technologie war übrigens nicht nur einer besseren Aerodynamik (mit cW 0,34 respektive cW x A = 0,625 damals recht gut in dieser Fahrzeugklasse) geschuldet, sondern eine Kompromisslösung für den anvisierten US-Markt: Dort galt eine definierte Mindesthöhe der Abblendleuchten, die bei diesem Design nur mit Klappscheinwerfern erfüllt werden konnte. Letztlich zerschlugen sich aber alle Export-Pläne in die Neue Welt.
Volvo 480 2.0 steht in der Tradition des 1800 ES
Den zunächst eingesetzten Einspritz-Motoren (1,7-Liter-Vierzylinder mit und ohne Turboaufladung) folgte 1993 ein drehmomentstarker 2,0-Liter mit 109 PS. Der lässt sich willig hochtouren, ist aber keine Drehzahlwunder. Imposant ist das Drehmoment, das über einen weiten Drehzahlbereich mehr als 200 Newtonmeter bereitstellt. Die Fahrleistungen waren ansonsten angemessen, aber unspektakulär. Der 2,0-Liter-Motor wurde auch in dem hier gezeigten Auto verbaut: Es handelt sich um die Nr. 328 aus der speziell für Deutschland aufgelegten, 480 Exemplare umfassenden „Collection“-Edition des 480, die mit Vollausstattung daherkam. 32.895 Mark waren dafür hinzulegen, ein günstiger Preis, verglichen mit den offiziellen Basistarifen für den Viersitzer. Ein Glas-Schiebe-Hubdach wurde als Zusatzausstattung nachträglich eingebaut. „Unser kleiner Elch“, nennt Eigner Jan Göpel seinen gepflegten, rot lackierten Liebling. Dankenswerterweise reiste er extra für den Fototermin auf Achse aus Papenburg an. Über 20 Zentimeter kürzer als der 480 ist der VW Corrado, der übrigens just seinen 30. Geburtstag feiert: Das rundlich geformte Coupé auf Basis des Golf II, das ursprünglich den Scirocco ersetzen sollte, wurde im Oktober 1988 in Nürnberg und anschließend in Paris vorgestellt. Das Sportcoupé hat einen cW-Wert von 0,32 (cW x A = 0,58), ist also in diesem Punkt dem Volvo klar überlegen. Mit seinem bei höherem Tempo automatisch ausfahrenden Heckspoiler kam er dem Porsche 964 Carrera ein Jahr zuvor. Das Corrado-Fahrwerk ist narrensicher und erlaubt hohe Kurvengeschwindigkeiten. Die Ausstattung des Zweitürers mit der großen Klappe ist technokratisch-funktionell. Ähnlich wie beim Volvo sitzen drei Anzeigen in der eckig gestylten Schalttafel: Kombiinstrument, Tachometer und Drehzahlmesser – gut einsehbar, aber nicht Sportwagen-like. Bis 840 Liter lassen sich im Heck verstauen, auf den hinteren Einzelsitzen gibt es nur mäßig Platz.
VW Corrado G60 mit Spirallader
Der VW debütierte als relativ teurer G60, also mit dem via Spirallader und Ladeluftkühler auf Trab gebrachten 1,8-Liter-Zweiventiler, der von den Kund:innen am häufigsten geordert wurde. So ein Aggregat trägt auch der rote 1995er-Fotowagen aus dem Zeithaus der Autostadt Wolfsburg unter der Haube. Der G60-Motor macht riesig Spaß, dank des Kompressor-artigen Laders steht schon bei wenig Touren viel Drehmoment zur Verfügung. Fahrkomfort und Handling zeugen von einem guten Kompromiss zwischen Sportlichkeit und Komfort. Später folgten auch noch 2,0-Liter-Zwei- und Vierventiler sowie der begeisternde, aber weit oben eingepreiste VR6-Motor. Vom Corrado entstanden fast ein Viertel mehr Exemplare als vom Volvo. Man sieht ihn heute noch hier und da auf der Straße. Kein Wunder, wurde doch rund die Hälfte aller Exemplare nach Deutschland ausgeliefert. Dagegen ist der nach Enthusiaste:innen-Bekunden sehr langlebige „kleine Elch“ bei uns fast gänzlich aus dem Straßenbild verschwunden – und preislich sehr viel niedriger bewertet als der VW. Ein so perfektes Exemplar wie unseren 480 wird man kaum noch finden. Stellt sich zum Schluss die Frage nach etwaigen Exoten. Tatsächlich hatte Volvo 1990 ein 480 Cabrio-Showcar vorgestellt, das aber wegen Problemen mit und bei den Zulieferern ASC (USA), EBS (Belgien) und Motor Panels (GB) auf der Strecke blieb. Der Cabrio-Spezialist Karmann baute eine sehr schicke Roadster-Version des Corrado, die aber nicht in Produktion gehen durfte – weil sie den offenen Golf kannibalisiert hätte. Die Nachfrage wäre da gewesen – für beide Offene. Aber bereits die Coupés bereiten so viel Freude, dass man die Marketing-Entscheidung verschmerzen kann.
Technische Daten von Volvo 480 2.0 & VW Corrado G60
Unser Fazit
Volvo und VW überraschten ihrerzeit mit schicken und dennoch praktischen Kombicoupés. Der Volvo 480 war in mehrfacher Hinsicht innovativer und zukunftsweisender, zumal er heute überaus selten ist. Aber der kraftstrotzende VW Corrado mit dem auffälligen, automatisch ausfahrenden Spoiler bringt viel mehr Fahrspaß – und ist darum mein Favorit.
Quelle: Autozeitung