Revolutionäre Technik
Für Mercedes-Kunden revolutionär war aber auch Features, mit denen bereits die Sechszylinder 280 S und 280 SE aufwarteten. So hatte in der ganzen Baureihe W116 die altertümliche hintere Eingelenk-Pendelachse zugunsten einer Einzelradaufhängung ausgedient, und vorne kam eine im Wankel-Supersportwagen C111 erprobte Radaufhängung zum Einsatz. Eine neue, optionale Viergang-Automatik machte zudem schon im 280 S und SE das Anfahren im zweiten Gang zum Standard, ideal für den Anhängebetrieb mit Wohnwagen und Boot, nur bei Kickdown kam der erste Gang noch zum Einsatz.
Laufkultur und Verbräuche über 20 Liter
Ausreichend Leistung bot bereits das Vergasermodell 280 S, dessen 160 PS starker 2,8-Liter-Sechszylinder in zeitgenössischen Tests Spitzengeschwindigkeiten von fast 200 km/h erreichte, damals die entscheidende Markierung auf der Tempomesslatte.
Benzin sparen und dennoch schneller fahren ließ sich dagegen mit dem 280 SE, der dank Direkteinspritzung 185 PS entwickelte und als bis heute meistverkaufter S-Klasse-Typ Geschichte schrieb. Ganz anders der Achtzylinder im 350 SE, der kaum temperamentvoller war, dafür eine turbinenartige Laufkultur entfaltete, die an den C111 erinnerte. Nachteilig waren jedoch Testverbrauchswerte von bis zu 24 Litern.
Trotzdem mit dem europäischen Medienpreis „Auto des Jahres 1973“ und in den USA mit der Trophy „Best Sedan“ ausgezeichnet wurde der 450 SE mit 225 PS kräftigem V8, der – Ironie der Geschichte – passgenau zur ersten Ölkrise seinen Marktstart feierte.
Erster Fünfzylinder-Diesel in der Oberklasse
Und noch ein Motor sorgte im schwäbischen Spitzenmodell für Furore: 1978 debütierte der 300 SD als weltweit erste Oberklasselimousine mit Fünfzylinder-Selbstzünder. Mit dieser, ausschließlich in Nordamerika verkauften Dieselversion, gelang es Mercedes, die von der US-Regierung eingeführten Grenzwerte des sogenannten Flottenverbrauchs leicht zu erfüllen, denn der Fünfzylinder begnügte sich mit 12 Litern Diesel auf 100 Kilometer.
Helmut Kohl setzte auf die erste S-Klasse
Vor allem aber war es ein damals einzigartiger Mix aus innovativer Technik, klassischen Karosseriekonturen und Solidität, der die Sternenträger bis 1980 unwiderstehlich machte. So konterte Mercedes das Debüt des ersten BMW 7er selbstsicher mit dem Slogan: „Auch 1977 war es nicht möglich, ein noch besseres Automobil zu bauen.“
Ernste Qualitätsmängel kannte die schwäbische Sonderklasse nicht, stabil wie eine Burg schien der Mercedes den Stürmen der Zeit zu trotzen, so dass auch noch Helmut Kohl ab 1982 auf diese Kanzlerlimousine vertraute. Da war der Nachfolger W126 schon drei Jahre im Dienst, aber am Thron des W116 ließ sich anfangs kaum rütteln, zumal der Chrompanzer auch nach Laufleistungen von über einer halben Million Kilometer meist keine Altersmüdigkeit zeigte.
Quelle: T-Online